Es war ein Tag im Sommer 2011 als Anna G. (Name geändert) davon erfuhr, dass sich ihr Leben ab sofort ändern würde. Knapp 1,9 Millionen Euro war der Spielschein wert, den sie nur wenige Tage zuvor in einer LOTTO-Verkaufsstelle abgegeben hatte.
Gelegentlich, sagte sie später bei der Gewinnabwicklung, spiele sie, aber nicht regelmäßig. Doch irgendwie ein Schock sei es gewesen, als sie erfuhr, dass das Wort „Zentralgewinn“ am Display ihrer Verkaufsstelle nicht ein paar tausend Euro, sondern mehrere Millionen bedeutete. Gerade hatte sie noch mit der Dame hinter der Theke gescherzt, „vielleicht bin ich Millionär“, aber geglaubt hatte sie es eigentlich nicht. Ein Anruf bei der Wiesbadener Zentrale und der Vergleich der Spielquittungsnummer hatte dann bestätigt: Es waren Millionen! Im Rückblick, sagt Anna, war das das Beste – abgesehen von der Geburt ihrer Kinder –, was in ihrem Leben je passiert ist.
Dann der Gewinn, eine unvorstellbare Summe und vor allem eines: Sicherheit.
Körperliche Arbeit war für sie und ihren Mann immer selbstverständlich und ging ihnen leicht von der Hand, doch irgendwann kamen die ersten Zipperlein. Müde war sie und konnte Job und Familie, all diese Belastungen, kaum noch vertragen, sagt sie heute. Finanziell ging es nicht schlecht, aber große Sprünge waren nicht drin. Es reichte, mehr aber auch nicht. Dann der Gewinn, eine unvorstellbare Summe und vor allem eines: Sicherheit. Nur die fast erwachsenen Kinder wurden eingeweiht, die Schwiegereltern blieben außen vor. Sollen wir es ihnen nicht sagen, hatte ihr Mann immer gedrängt.
Doch sie blieb hartnäckig, niemand sonst sollte es erfahren. Mit dem Geldausgeben ließ sie sich Zeit, die Vorfreude war ihr eine Weile genug. Ein Auslandsstudium für den Sohn war das erste, was vom neuen Konto abging. Ein vergleichsweise lächerlicher Betrag, doch nachts konnte sie kaum schlafen, sagt sie heute. So viel Geld.
Wie viel Glück wir doch gehabt haben.
Heute, 5 Jahre später, kann sie am Telefon darüber lachen. Trotzdem gingen ihr Mann und sie vorsichtig vor. Bald nach dem Gewinn aber kämpft sie mit sich. Was, wenn das ganze Glück nun den Bogen überspannt, einer von ihnen krank wird und sie es nicht genießen können. Doch das legte sich bald, „Du bist verrückt“, hatte ohnehin ihr Mann immer gesagt. Was ihr der Gewinn gebracht hat? Da überlegt sie, atmet aus und sagt nur, „uns geht es einfach gut“. Ein schönes Auto, ein Ferienhaus im Ausland, Eigentumswohnungen für die Kinder, Ferien im Luxuressort. „Das wissen ja die Nachbarn nicht“, lacht sie.
Nicht auffallen war ihr wichtig. Das vorher schon bewohnte Haus ist geblieben, „warum hätten wir ausziehen sollen“. Ihren Job hat sie bald aufgegeben, Vorruhestand, damit erklärte sie es. Die Nachbarn hätten genickt, nichts vermutet, warum auch. So wollen sie und ihr Mann es auch weiter halten. „Wir leben in einer kleinen Gemeinde, Neid ist hier verbreitet, aber wir fühlen uns doch hier wohl“, erklärt sie. Die Spielquittung von damals hat sie noch. Manchmal geht sie zum Sekretär und sieht sie an. „Wie viel Glück wir doch gehabt haben“.