Wenn Raj Kaur spricht, klingt es wie Poesie: „Ich kann zu Petra Schmeing mit ganz vielen Themen kommen, sie hat zu jeder Frage eine Antwort. Sie ist wie ein sprechendes Wörterbuch.“ Kaur ist Teilnehmerin des Projektes „Rückenwind im Job“, Schmeing ihre Mentorin, die ihr beim Schreiben von Bewerbungen oder der Vorbereitung auf Einstellungsgespräche hilft. Dass es Hand in Hand auch im beruflichen Alltag leichter geht, weiß Raj Kaur nur zu gut. Vor ein paar Jahren suchte sie Unterstützung, weil sie an ihrem Arbeitsplatz einen schweren Stand hatte, und stieß auf „Rückenwind im Job“. 2014 startete das Projekt der Diakonie der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach. Sein Ziel: Arbeitssuchende Frauen und Jobanfänger auf ihrem beruflichen Weg zu unterstützen – durch die Vermittlung erfahrener Mentorinnen. Gefördert durch die Lotterie GlücksSpirale von LOTTO Hessen mit Geldern in Höhe von rund 273.500 Euro kamen seitdem insgesamt 70 Frauen in unterschiedlichen Lebenssituationen zusammen.
Mut schöpfen für Neues
So auch die in Indien geborene Raj Kaur und Personalentwicklerin Petra Schmeing. „Ich wollte mich nicht länger klein machen, daran geht man seelisch und körperlich kaputt“, erinnert sich Kaur. Im Austausch mit Schmeing schöpfte sie Mut und entwickelte die Idee, in die Bildungsarbeit mit Erwachsenen einzusteigen. Gemeinsam sichteten sie Jobangebote, formulierten Bewerbungen. Die unterschiedlichsten Frauen zwischen 30 und 59 Jahren engagieren sich im Projekt, erzählt Projektkoordinatorin Astrid Konter. Sie bietet den Mentorinnen Schulungen, Netzwerktreffen und Supervision an. In den Workshops von „Rückenwind im Job“ setzen sich die Mentorinnen etwa damit auseinander, was es heißt, arm zu sein und als Alleinerziehende ohne gute Deutschkenntnisse Arbeit zu suchen. Oder lernen Wissenswertes zu interkultureller Kompetenz und zu rechtlichen Fragen.
Start in ein besseres Leben
Kristina Reitz hat gerade die dritte junge Frau bei „Rückenwind im Job“ begleitet. Und viel gelernt, über sich selbst und ihre jüngste Mentee – die 29 Jahre alte B. Mit 22 Jahren kam sie aus Äthiopien nach Deutschland, blieb danach drei Jahre als Alleinerziehende Zuhause, aber das Deutschlernen stockte, weil sie ohne Hortplatz keine Kurse besuchen konnte. Kristina Reitz unterstützte sie bei der Suche nach einem Hort für ihren Sohn. Mentee B. trennte sich von ihrem gewalttätigen Ehepartner, lebte eine Weile im Frauenhaus und zog inzwischen in eine eigene Wohnung. Nach mehreren Praktika hat sie jetzt einen Traum: eine Ausbildung als Erzieherin. Dafür muss sie noch besser Deutsch lernen. „Manchmal ist mir etwas zu viel, und der Mut verlässt mich“, erzählt B., „dann sagt Frau Reitz zu mir: weitermachen.“ Kristina Reitz wiederum hat Respekt vor dem Mut ihrer Mentee und vor dem Spagat, den sie bewältigt: „Zwar hat jeder einen Anspruch auf einen Hortplatz, aber im Alltag sieht das ganz anders aus – die Mütter sind sich selbst überlassen, es sei denn, es gibt ein Projekt wie ‚Rückenwind im Job‘, das sie unterstützt.“